EV4 - 0.3.2
Entheovision 4
Spirit | Pharma | Politics
Referenten | |
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Tibor Harrach |
Programm | |
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Tag | 1 |
Raum | Hörsaal |
Beginn | 13:15 |
Dauer | 00:45 |
Info | |
ID | 32 |
Veranstaltungstyp | Vortrag |
Track | Politics |
Sprache | deutsch |
Salvia divinorum
Botanik, Inhaltsstoffe, Wirkungen, Risiken, Gebrauch und Produktstatus eines Ethnobotanikums
Salvia divinorum (mexikanischer Zaubersalbei, Wahrsagesalbei) steht derzeit im Fokus der Justiz und Politik. Über die Darstellung der Salvia divinorum und deren Inhaltsstoffe (biologische Wirkung, soziale Implikationen, Verwendung, Historie) gelangt Tibor Harrach zu der jruistischen Einordnung von Salvia divinorum in derzeit anhängigen Strafprozessen bei denen er als Gutachter bestellt ist.
Nach Beschreibung der Botanik und Verbreitung von Salvia divinorum wird ein Überblick über die psychotropen Inhaltsstoffe der Pflanze und deren Wirkungsmechanismen gegeben.
Im zweiten Teil des Vortrags wird auf die Wirkungen dieser Inhaltesstoffe eingegangen dabei wird auch eine kürzlich erfolgte retrospektive Erhebung, in der erstmals die subjektiv wahrgenommenen Wirkungen, Nebenwirkungen und Nachwirkungen von Salvia divinorum mittels standardisierten Fragebogens systematisch erfasst wurden, als Referenz verwendet. In dieser Studie wurden auch Parameter abgefragt, die die subjektiv erlebten veränderten Wachbewusstseinszustände mittels vier normierter internationaler Messskalen objektivieren: 1. Hallucinogen Rating Scale [HRS], 2. Addiction Research Center Inventory [ARCI], 3. State-Trait Anxiety Inventory-State [ARCI-S] und 4. Altered States of Consciousness [ASC].
Konsumrisiken bilden den Schwerpunkt des dritten Vortragsteils: Für Deutschland ist kein Schadensfall im Zusammenhang mit dem Konsum von Salvia divinorum bekannt. In Bezug auf die gesundheitsschädigenden Wirkungen des Konsums von Salvia Divinorum – d.h. pathologische Auswirkungen als auch pathologische Gebrauchsmuster - ist derzeit eine abschließend seriöse wissenschaftliche Bewertung nicht möglich, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Studien vorliegen, die solche Annahmen belegen oder widerlegen, und die zudem gängigen wissenschaftlichen Gütekriterien entsprechen würden (z.B. in Form von Längsschnitt- und klinischen Studien). Da es sich beim rekreationalen Gebrauch von Salvia Divinorum um ein rezentes Phänomen in Europa handelt, besteht die Notwendigkeit einer weiteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung.
Im vierten Teil wendet sich Harrach der bewussten Verwendung des Zaubersalbei zu. Dabei wird auf die traditionelle Verwendung durch die Azteken und heutige Schamanen der Mazateken eingegangen. Unter dem Einfluss der halluzinogenen Droge erkennt der Schamane die Ursache für die Störung einer Person und kann dieser anschließend heilsame Ratschläge erteilen. Ebenso wird der moderne Gebrauch von Salvia divinorum thematisiert. Heute wird Salvia divinorum häufig in Form der mit Extrakt imprägnierten Blätter zu Genusszwecken geraucht. Zu den Konsumprävalenzen, Konsummustern und Motiven existieren für Deutschland keine systematischen Erhebungen. Es ist auf Basis von Einzelfallberichten anzunehmen, dass im europäischen Kulturkreis das Erleben der durch Salvia divinorum induzierten veränderten Wachbewusstseinszustände primär Motiven wie Neugier, Selbstexploration oder der Suche nach Grenzerfahrungen dient.
Der fünfte Teil des Vortrags bezieht sich auf die Bedeutung von Salvinorin A für die molekularbiologische Grundlagenforschung. Da Salvinorin A einen selektiven Agonist für den κ-Opioid-Rezeptor darstellt, könnte sie bei der Entwicklung von möglicherweise therapeutisch wirksamen κ-Opioid-Rezeptor-Agonisten und zur Erforschung menschlicher Wahrnehmungs-Mechanismen grundlegende Bedeutung erlangen. So gewonnene Erkenntnisse könnten zum Verständnis von Wahrnehmungsstörungen bei z.B. Schizophrenie, Alzheimerscher Krankheit und manisch-depressiven Erkrankungen beitragen.
Der letzte Teil des Vortrags befasst sich mit dem Legalstatus. Derzeit wird der Produktstatus von Produkten auf Basis von Salvia divinorum in mehreren Strafprozessen in Deutschland verhandelt. Die Staatsanwaltschaften legen mehreren Fachhändlern von Ethnobotanika zur Last, dass sie unerlaubt gesundheitlich bedenkliche Arzneimittel (im Sinne des deutschen Arzneimittelgesetz) in den Verkehr gebracht hätten. Die Verteidigung beruft sich auf die Lebensmittel-Definition der europäischen Lebensmittelbasisverordnung, nach der auch psychotrop wirksame Genussmittel unter dem Lebensmittelbegriff subsumiert werden. In diesem Zusammenhang wird dargelegt, dass es sich bei der biologischen Wirkung die den veränderten Wachbewusstseinszustand generiert, um keine ein Arzneimittel konstituierende „pharmakologische Wirkung“ im Sinne der europäischen Arzneimittelrichtlinie handelt. Die vom Oberlandesgericht Frankfurt/Main demnächst zu treffende Revisions-Entscheidung dürfte grundsätzliche Bedeutung für den Produktstatus von Ethnobotanika in Deutschland besitzen. Zudem und formal unabhängig von den durch Gerichte zu entscheidenden Abgrenzungsfragen (Arzneimittel oder Lebensmittel) hat die deutsche Bundesregierung ein Verfahren eingeleitet, Salvia divinorum dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu unterstellen.